Mit Leib und Seele Kommunalpolitiker

FDP Hanz Jürgen Streich
Hans-Jürgen Streich
Hans-Jürgen Streich zieht Bilanz

 IVZ vom 12.10.2023

IBBENBÜREN: Mit Hans-Jürgen Streich ist ein kommunalpolitisches Urgestein Ende September im Rat der Stadt Ibbenbüren verabschiedet worden. Über Jahrzehnte war der FDP-Ratsherr in den diversen Gremien aktiv. Im Interview zieht der 76-Jährige eine persönliche Bilanz seines politischen Engagements, blickt aber auch in die Zukunft.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Hans-Jürgen Streich: Das war im Jahr 1974 in Ibbenbüren, Karl-Heinz Fernholz war Parteivorsitzender. Ich hatte zwei Veranstaltungen der Liberalen besucht, die mir gut gefallen haben. Und so bin ich dabeigeblieben. Zudem suchte die Ibbenbürener FDP seinerzeit einen sachkundigen Bürger für den Sportausschuss. Seitdem bin ich dem Sport in Ibbenbüren verbunden geblieben. Bei der FDP hat mir der freiheitliche Gedanke gefallen. Und die Tatsache, dass Wirtschaftspolitik eine wichtige Rolle spielte. Wirtschaft hat mich immer interessiert.

Hatten Sie zu Beginn Ihrer politischen Laufbahn ein Vorbild?

Streich: Ganz klar: Hans-Dietrich Genscher (Anm. d. Red.: FDP-Bundestagsabgeordneter, Bundesinnenminister 1969 bis 1974, Bundesaußenminister 1974 bis 1992), der hat mir damals sehr gefallen.

Mit Heinz Unland, Ewald Bolsmann, Otto Lohmann, Heinz Steingröver und Dr. Marc Schrameyer haben Sie fünf Bürgermeister erlebt, zudem Hans Jacobi als Stadtdirektor. Wer ist Ihnen besonders positiv in Erinnerung geblieben?

Streich: Hans Jacobi habe ich immer sehr geschätzt. Positiv war auch die Anfangszeit von Otto Lohmann, weil er aus meiner Sicht etwas verändern wollte und auch verändert hat. Auch viele Dinge in der Zusammenarbeit mit Heinz Steingröver waren sehr gut, weil er auch immer den Ausgleich gesucht hat bei politischen Entscheidungen. Die Kommunalpolitik lebt nicht von Grundsatzerklärungen, sondern von Kompromissen, um Mehrheiten zu finden. Das wird in Ibbenbüren und auch im Kreis oft gut gelöst. Dabei ist mir immer ganz wichtig gewesen: Wir sind nicht für die Partei da, sondern für die Bürger. Es gilt, um die Sache zu kämpfen, ohne dabei im Rat andere persönlich anzugreifen.

Was ist Ihnen als Kommunalpolitiker besonders negativ in Erinnerung geblieben?

Streich: Dass wir die Umgestaltung des Christuskirchplatzes nicht hinbekommen haben. Alles war auf einem guten Weg, doch dann plötzlich kippte das Ganze. Das hätte heute alles fertig sein können als wichtiger Baustein der Innenstadtsanierung.

Und das besonders Positive?

Streich: Dass wir den Übergang zur Schließung der Zeche mitprägen durften. Alle in Ibbenbüren und der Region haben an einem Strang gezogen, auch mit Unterstützung der Landesregierung. Dass wir die Kohlekonversion so hinbekommen haben, ist zweifellos ein Erfolg. Als Regionalrat habe ich andernorts gesehen, wie das auch zum Problem werden kann. Positiv ist für mich auch, dass sich die Stadt Ibbenbüren in den vergangenen Jahrzehnten gut weiterentwickelt hat. Da haben Rat und Verwaltung vielfach gut zusammengearbeitet.

Apropos Kohle: Hatten Sie da als FDP vor Ort nicht einen schweren Stand angesichts der überregionalen Haltung der Partei?

Streich: Ja, da hatten wir ein schwieriges Feld zu beackern. Und ich kann mich erinnern, dass ich bei einer Veranstaltung in der Kreissporthalle zur Zukunft des Steinkohlebergbaus schon beim Gang ans Mikrofon ausgepfiffen wurde. Aber die FDP war ja gar nicht gegen die Kohle, sie war gegen die Subventionen. Zu den Arbeitsplätzen vor Ort und dem Bergbau haben auch wir als FDP-Kommunalpolitiker gestanden.

Gibt es noch weitere Themen auf Ihrer persönlichen Liste, die Sie besonders beschäftigt haben?

Streich: Dass 1991 die Pläne verworfen wurden, im Aatal eine Müllverbrennung zu bauen, war ein Glück. Aufregend war auch das Jahr 2004. Bei der Frage zur Zukunft der Ibbenbürener Müllabfuhr waren wir als FDP ja auf dem Trip Privatisierung. Ein Bürgerentscheid hat das klar abgelehnt. Und das war dann zu akzeptieren.

Was hätten Sie gerne noch umgesetzt?

Streich: Es ist bis heute nicht gelungen, einen vernünftigen Wohnmobilstellplatz in Ibbenbüren zu schaffen, obwohl wir das als FDP schon 2012 vorgeschlagen haben. Überall gibt es solche Plätze, nur in Ibbenbüren nicht. Und wir hätten gerne die Landesgartenschau in Ibbenbüren gehabt. Nicht durchgedrungen sind wir auch bei der Frage des Hauptschulstandortes, den wir an der Schulstraße und nicht im Schulzentrum Ost sehen.

1998 und 2002 sind Sie als Bürgermeisterkandidat der FDP angetreten. Was war die Motivation zu dieser Rolle als Außenseiter?

Streich: Es ging darum, die FDP im Ort im Gespräch zu halten, FDP-Werte zu vermitteln und natürlich darum, den Bekanntheitsgrad der Partei zu stärken, um die eine oder andere Stimme mehr zu bekommen.

Sie waren lange Jahre Fraktionsvorsitzender, aber auch 30 Jahre Vorsitzender des FDP- Stadtverbandes Ibbenbüren. Was waren Höhepunkte?

Streich: Wir haben es geschafft, ganz viele Persönlichkeiten nach Ibbenbüren zu holen. Ich erinnere an Jürgen Möllemann, Burkhard Hirsch, Klaus Kinkel, Christian Lindner, Wolfgang Kubicki oder Daniel Bahr. Einen besonderen Moment gab es auch im März 1990 mit dem Besuch in unserer Partnerstadt Roßlau nach dem Mauerfall. Damals empfing uns der Vorsitzende der FDP in Roßlau, Rainer Schnabel. Daraus entwickelte sich in den nächsten Jahren eine sehr gute freundschaftliche Zusammenarbeit. Man spürte dort eine Aufbruchstimmung. Rainer Schnabel wohnt heute in Hörstel und arbeitet in der dortigen FDP.

Die FDP war all die Jahre eine kleine Fraktion. Wieviel kann man da bewirken?

Streich: In meiner ersten Zeit als Fraktionsvorsitzender in den 90er Jahren hat es mitunter Absprachen mit der CDU gegeben, die für Mehrheiten gesorgt haben. Und wir haben später - zum Beispiel ab 2010- auch oft dem Haushalt zugestimmt, aus der Überzeugung, dass es weitergehen muss in der Stadt. Da sind wir ganz pragmatisch vorgegangen. Und ja, natürlich haben wir dabei auch mal ausverhandelt, was uns im nächsten Haushaltsjahr wichtig war.

Was muss in Ibbenbüren künftig im Fokus stehen?

Streich: Wir müssen es unbedingt hinkriegen, dass die Innenstadt belebt wird. Da werde ich als Bürger gerne im Wirtschaftsrat mitarbeiten. Da geht es auch darum, die Kaufkraft in der Innenstadt zu stärken.

Sie waren viele Jahre nicht nur im Rat der Stadt Ibbenbüren aktiv, sondern auch noch im Kreistag und im Regionalrat. Wie war der zeitliche Aufwand?

Streich: Das ist wie ein zweiter Job. Ich weiß gar nicht, wie ich das früher geschafft habe, schließlich war ich ja bis 2000 als Berufssoldat bei der Bundeswehr aktiv.

Was machen Sie mit dem neuen Plus an Freizeit?

Streich: Nun, ich brauche mich nicht mehr so strikt organisieren, habe mehr Zeit für meine Frau und die Familie. Apropos: Ohne die Unterstützung meiner Ehefrau Karin, die übrigens aus einem von der FDP geprägtem Elternhaus stammt, wäre das alles auch gar nicht gegangen. Wir reisen gerne, auch dafür ist jetzt mehr Zeit. Und ich will noch mehr Sport machen, möchte im nächsten Jahr noch einmal das Goldene Sportabzeichen in Angriff nehmen.

Sie waren nicht nur kommunalpolitisch, sondern auch 20 Jahre als Vorsitzender des Stadtsportverbandes (SSV) Ibbenbüren aktiv. Was hat es gebracht?

Streich: Ich habe seinerzeit von Klaus Jahn ein sehr gut bestelltes Haus übernommen. Wir haben es ziemlich schnell hingekriegt, dass Ibbenbüren Kunstrasenplätze bekommen hat. Und die Kommune ist gut mit Sporthallen ausgestattet worden. Und dann vergesse ich nie Mission Olympic 2013. Es war schön, dass wir diese tolle Veranstaltung mit organisieren durften mit einem tollen Team, hinter dem auch Bürgermeister Heinz Steingröver stand. Auch die Unterstützung der Sportgala von Arminia und ISV durch den SSV und„ibb on Ice“ habe ich noch gut in Erinnerung. Unter dem Strich: Wir haben auch heute noch 14.000 Menschen in den Sportvereinen der Stadt, das ist doch eine schöne Sache. Es gibt allerdings auch Entwicklungen im Sport, die mich heute umtreiben. Ein Beispiel: Dass bei Bundesjugendspielen keine Leistungsergebnisse mehr abgebildet werden sollen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Und wir müssen im Auge behalten, dass die Kinder schwimmen lernen.

Hans-Jürgen Streich

Jahrgang 1947, ist geboren in Cloppenburg, aufgewachsen in Osnabrück, verheiratet, hat eine Tochter und zwei Enkeltöchter. Der Kfz- Meister war Berufssoldat bei der Bundeswehr, dort überwiegend in verschiedenen Funktionen im Kfz-Bereich, zuletzt bis September 2000 in Rheine-Gellendorf. 1983 zog Streich erstmals in den Rat der Stadt Ibbenbüren ein, war mit Unterbrechungen Ratsmitglied für die FDP von 1989 bis 1994 sowie ununterbrochen von 1999 bis 2023. Streich war sachkundiger Bürger in diversen Fachausschüssen, Mitglied des Haupt- und Finanzausschusses, des Rechnungsprüfungsausschusses, des Wahlprüfungsausschusses. Sehr engagiert vertrat er zudem lange Jahre als Vorsitzender des Stadtsportverbandes die Belange der Vereine, unter anderem als sachkundiger Bürger im Sportausschuss. Streich wirkte im Zweckverband des Wasserversorgungsverbandes Tecklenburger Land, war für die FDP im Aufsichtsrat der Stadtmarketing Ibbenbüren GmbH und der Ibbenbürener Bäder GmbH. Er war für die FDP-Mitglied im Regionalrat und sitzt für die Liberalen im Kreistag.